Mein erster Kontakt mit dem Forum fand 1999 statt. Drei Jahre später wurde ich zur Chefdolmetscherin ernannt. Bei meiner Arbeit kam mir meine Erfahrung im Rahmen der Olympischen Spiele 1992 zugute. Vor der eigentlichen Rekrutierung der Dolmetscher mussten, die Sprachbedürfnisse, die Anzahl Parallelsitzungen und die Termine aller 50 „Dialoge“ ermittelt werden. Es dauerte mehrere Monate, bis das Mosaik vollständig war. Schließlich wurde in insgesamt dreizehn Sprachen gedolmetscht, wobei Katalanisch, Spanisch, Französisch und Englisch bei den meisten Veranstaltungen als Hauptsprachen gesetzt waren.
Gleichzeitig begannen wir mit der Ausstellung der einzelnen Dolmetscherverträge. Sie sahen die übliche Stornoklausel vor, wobei auf Dolmetscherseite bei Nichterscheinen eine beträchtliche Vertragsstrafe fällig wurde. Außerdem enthielten die Verträge auch einen längeren Passus zum Thema geistiges Eigentum, der die geltenden gesetzlichen Vorschriften umsetzte. Die Dolmetscher erhielten eine Zahlung zur Abgeltung ihrer Urheberrechte. So konnte die Verdolmetschung über Internet, Rundfunk und Fernsehen übertragen werden. Für alle anderen vertraglichen Aspekte kamen die „Allgemeinen Arbeitsbedingungen“ des Internationalen Verbandes der Konferenzdolmetscher (AIIC) zur Anwendung.
Komplexe Rekrutierung
Für die Rekrutierung der Dolmetscher hatte ich in der Zwischenzeit mehrere Kriterien festgelegt: Sprachkombination, Hintergrund, Erfahrung, geografische Nähe, AIIC-Mitgliedschaft oder Akkreditierung bei Institutionen der EU oder UNO, ganz abgesehen natürlich von „weichen“ Faktoren wie Teamfähigkeit und Kollegialität. Im Herbst 2003 schickte ich die ersten Anfragen an Dolmetscher, die diese Kriterien erfüllten.
Mir wurde schnell klar, dass ein derart komplexes Projekt ohne den Einsatz einer relationalen Datenbank kaum zu meistern war, weshalb ich mich für den Kauf der Software Ipso Facto entschied, die von vielen Dolmetschdienstleistern genutzt wird. Mit diesem Expertensystem konnte ich Termine, Dolmetscherdaten und Status (z.B. Option, bestätigt, storniert usw.) verwalten und so Probleme wie Doppelbuchungen vermeiden. Nach und nach konnte ich für eine immer größere Anzahl von Dolmetschern Optionen und schließlich Verträge ausstellen.
Viele der Dolmetscher, die bei mir in der engeren Wahl standen, wurden auch von den Europäischen Institutionen (z.B. Kommission und Parlament der EU) umworben, sowie von der Euro 2004 oder den Olympischen Spielen in Athen, die in den gleichen Zeitraum fielen. Glücklicherweise für das Forum waren diese „Mitbewerber“ aber aus verschiedenen Gründen damals nicht in der Lage, ihre Dolmetscher frühzeitig zu buchen. Außerdem entschieden sich mehrere Dolmetscher, ihren Berufssitz für mindestens sechs Monate nach Barcelona zu verlegen. Darunter waren auch einige Calliope-Mitglieder, die Erfahrung mit der Koordination und Rekrutierung von Dolmetschern hatten und so als Teamchefs oder Koordinatoren eingesetzt werden konnten, was dem Forum zugute kam.
ISO-Normen für die Dolmetscherkabinen
Für den Einsatz von Simultandolmetschern benötigt man hochwertige Konferenztechnik und Dolmetscherkabinen. Ich hatte schon in meiner ersten Bewerbung 1999 auf die ISO-Normen 4043 und 2603 für Dolmetscherkabinen hingewiesen, und dank der freundlichen Unterstützung durch den Ausschusses für Technik und Gesundheit der spanischen AIIC-Region wurden im großartigen Auditorium mit seinen 3 200 Plätzen denn auch fünf feste Dolmetscherkabinen eingebaut. In allen anderen Sitzungssälen wurden mobile, den Normen entsprechende Dolmetscherkabinen installiert.
Und ehe wirs uns versahen, wurde es ernst. Am 3. Mai 2004 wurde erstmals im Rahmen des Forums gedolmetscht. Neben dem gesprochenen Dolmetschen war ich auch für die Koordinierung der Gebärdendolmetscher zuständig, die die spanische Verdolmetschung als Relais verwendeten. Außerdem wurden die Tagungen für Hörbehinderte auf Bildschirme übertragen.
Dolmetscher müssen im Vorfeld umfassende Dokumente erhalten, damit sie sich gründlich auf ihren Einsatz vorbereiten können. Dafür wurden fünfzig virtuelle Festplatten (eine pro “Dialog”) geschaffen, über die alle Dolmetscher passwortgeschützt auf Vorbereitungsmaterial, Programm und Teamliste zugreifen konnten. Wie immer mussten aber auch in letzter Minute eintreffende Manuskripte kopiert und verteilt werden. Dafür waren die Teamchefs zuständig, die hervorragend zusammengearbeitet haben.
Das Forum in Zahlen
Nun noch einige Zahlen: Insgesamt sprachen 2 411 Referenten vor beinahe 70 000 Teilnehmern aus mehr als 170 Ländern. Bei diesem Mega-Event wurden 4 700 Dolmetschertage gezählt, die von 124 Dolmetschern bestritten wurden. 60 stammten aus Barcelona, 23 aus Spanien (außerhalb Kataloniens) und 41 aus dem europäischen Ausland. 91.41% aller Arbeitseinsätze konnten von lokalen Dolmetschern abgedeckt werden.